Gestern Abend war ein lustiges Schauspiel zu beobachten: Ein Bus nach dem anderen brachte Besucher, gegen Mitternacht war richtig viel los rund um das Besucherzentrum. Gegen ein Uhr war die Horde wieder verschwunden.

Ich koennte aber nicht behaupten, dass es unangenehm voll war. Die Stimmung war erwartungsvoll und sehr freundschaftlich unter den Besuchern.

Ich frage mich staendig was ich antworten werde, wenn man mich fragen wird: "Lohnt es sich, an das Nordkap zu fahren?".
Fuer mich kann ich diese Frage klar beantworten. Selbst dann, wenn der Weg hierher in keinem Moment ein Vergnuegen gewesen waere, haette sich die Tour ans Nordkap gelohnt. Der gestrige Abend war unvergesslich.

Es kam aber auch alles Positive zusammen:
Das Wetter gestern war nicht mehr verbesserungsfaehig, als ich ankam war kaum etwa los und zudem ich traf hier Menschen, mit denen ich mich prima verstand.

Es kommt natuerlich noch das gute Gefuehl hinzu, dieses Ziel aus eigener Muskelkraft per Fahrrad erreicht zu haben. Ausserdem habe ich mir zuletzt vom Nordkap nicht mehr viel versprochen - zu unrecht.
Was meine Wahrnehmung sicher auch beeinflusste waren die vielen eingegangenen E-Mails. Ich habe mich ueber die Herzlichkeit, die mir hierher ans Ende Europas geschickt wurde, wie wahnsinnig gefreut. Vielen Dank an alle Gratulanten!

Ich kann die aufgeworfene Frage fuer andere Menschen, die auf andere Art anreisen und die vielleicht andere Erwartungen mitbringen, nicht beantworten.

Vielleicht kann ich meine Begeisterung an einem Beispiel veranschaulichen:
Die beiden Belgier hatten einen Lenkdrachen dabei. Obwohl ich solch ein Geraet schon zigfach gesteuert habe, machte es gestern Spass wie noch nie. Auf einer 300 m hohen Klippe stehend den Drachen am Abgrund fliegen zu lassen, und das mit der tief ueber dem Meer stehenden Sonne im Gesicht: Das Ereignis selbst war banal, das Erlebnis aber war riesig.

Nach dem gestern angekuendigten Umtrunk bei den Belgiern und dem Flug mit dem Drachen haben wir uns zu dritt zum Globus begeben, an dem schon maechtig andrang herrschte. Jetzt ist es ja nicht so, dass die Menschen hier noch nie einen Sonnenuntergang gesehen haetten. Fuer mich ist es aber die Dauer dieses Schauspiels, was es fuer mich so faszinierend macht. Die Sonne steht fuer mehrere Stunden so wunderbar tief und auch nach zwei Stunden hatten wir drei uns noch nicht satt gesehen.
Wir tranken noch ein Bier in der Grotten-Bar, die einige Meter unter der Erde nahe des Besucherzentrums liegt und durch die grosse Fensterflaeche durch die Felswand der Klippe hindurch einen prima Blick auf das naechtliche Schauspiel bietet.

Ich kann nur jedem Besucher empfehlen nicht um kurz nach Mitternacht wieder zu verschwinden, sondern noch bei einem Getraenk in dieser Bar die Stimmung zu geniessen.

Den gestrigen Abend kann ich sicher nicht wiederholen, schon allein deshalb, weil Gilles und Benji, die beiden Belgier, heute abreisen werden. Trotzdem glaube ich, dass ich mir noch eine zweite Nacht an diesem schoenen Flecken Erde goennen werde und mein Fahrrad noch etwas pausieren darf.